Wirkweise und Anwendungsgebiete
Funktionsmechanismus und physiologische Effekte
Im Gegensatz zur konventionellen Sauerstofftherapie mit Flussraten bis etwa 5 l/min nutzt die High-Flow-Sauerstofftherapie deutlich höhere Flussraten von bis zu 60 l/min. Der kontinuierliche, erwärmte und befeuchtete Gasstrom wird über spezielle Nasenkanülen appliziert und wirkt auf mehreren Ebenen:
- Rasche Anhebung der arteriellen Sauerstoffsättigung (SpO₂)
- Reduktion der inspiratorischen Atemarbeit durch Erleichterung der Spontanatmung
- Aufbau eines leichten positiven endexspiratorischen Drucks (PEEP-ähnlicher Effekt)
- Verbesserung der alveolären Ventilation und Vermeidung von Atelektasen
Klinische Indikationen
Die HFOT findet Anwendung bei zahlreichen akuten und chronischen respiratorischen Krankheitsbildern, unter anderem:
- Schwere Pneumonie oder akutes Lungenversagen (z. B. COVID-19)
- Akute Exazerbation chronisch obstruktiver Lungenerkrankungen (AECOPD)
- Hypoxämische respiratorische Insuffizienz bei nicht-intubierten Patientinnen und Patienten
- Postextubationsphase oder Weaning-Unterstützung
- Alternative oder Vorstufe zur nichtinvasiven Beatmung (NIV)
Sie stellt eine zentrale Säule im respiratorischen Stufentherapiekonzept dar und kann in vielen Fällen eine Intubation vermeiden.
Durchführung und Ablauf
Praktische Durchführung
Die Therapie erfolgt über High-Flow-Systeme, die Sauerstoff mit Raumluft mischen, aktiv befeuchten und auf Körpertemperatur erwärmen. Die Applikation erfolgt über weiche Nasenkanülen, die für hohe Volumenströme ausgelegt sind.
Vor Therapiebeginn legt die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt Zielwerte für die Sauerstoffsättigung fest. Die kontinuierliche Überwachung erfolgt per Pulsoxymetrie oder Blutgasanalyse. Zielbereich: SpO₂ 92 – 96 %.
Vorteile im klinischen Ablauf
Die High-Flow-Sauerstofftherapie bietet verschiedene praktische Vorteile im Alltag der Atemtherapie:
- Dynamische Anpassung von Flussrate und inspiratorischer Sauerstoffkonzentration (FiO₂)
- Erhöhter Patientenkomfort durch befeuchtete, temperierte Atemluft
- Größere Mobilität im Vergleich zur invasiven Beatmung
- Kombination mit anderen Therapieformen möglich
- Optionale Nutzung als „Bridge“ vor einer invasiven Beatmung
Vorteile, Risiken und Nachsorge
Klinische Vorteile der HFOT
- Rasche und effiziente Verbesserung der Oxygenierung
- Deutliche Reduktion von Dyspnoe und respiratorischer Belastung
- Geringere Intubationsrate durch frühzeitige Intervention
- Bessere Verträglichkeit im Vergleich zu klassischen Sauerstoffsystemen
- Hoher Patientenkomfort durch physiologisch optimierte Atemgasbedingungen
Risiken und mögliche Nebenwirkungen
Obwohl die HFOT gut verträglich ist, sind potenzielle Komplikationen zu beachten:
- Hyperkapnie bei zu hoher Sauerstoffkonzentration, insbesondere bei COPD-Patientinnen und -Patienten
- Lokale Irritationen oder Druckstellen im Bereich der Nasenkanülen
- Austrocknung der Schleimhäute bei inadäquater Befeuchtung oder Langzeitanwendung
Eine engmaschige Überwachung von Atemfrequenz, Blutgaswerten und klinischem Zustand ist daher unerlässlich.
Nachsorge und weiterführende Maßnahmen
Nach der akuten Behandlungsphase sollte der weitere Verlauf individuell geplant werden. Dazu zählen:
- Überleitung in eine Langzeit-Sauerstofftherapie bei persistierender Hypoxämie
- Atemphysiotherapie und strukturiertes Atemmuskeltraining zur Unterstützung der Ventilation
- Kombination mit weiteren pulmonologischen Maßnahmen bei chronischen Erkrankungen
Ziel ist es, eine langfristige Stabilisierung der Atemfunktion zu erreichen und das Risiko für Rehospitalisierungen zu senken.